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Wie ist die aktuelle geopolitische Lage?

Aktuelle geopolitische Lage

Auch in dieser Woche wird die geopolitische Lage von zwei großen Konflikten dominiert. Dem mittlerweile mehr als ein halbes Jahr andauernden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dem Konflikt um Taiwan.

Seit dem Besuch von US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan droht die Lage dort Tag für Tag mehr zu eskalieren. Die chinesische Armee ist bei einigen ihrer darauffolgenden Militärmanöver in eine neutrale Zone eingedrungen. Die Taiwanesische Armee sah sich infolgedessen gezwungen, eine Warnung an den Nachbarn auszusprechen. Sollte die chinesische Armee in taiwanesisches Gebiet eindringen, würde ein Gegenschlag erfolgen, so ein Militärsprecher. Zündstoff birgt dabei vor allem die Tatsache, dass die USA die Taiwanesische Armee mit einem Milliardenrüstungsdeal ausstatten will. Es bahnt sich ein großer Wirtschaftskrieg zwischen den beiden führenden Nationen an.

Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sind die Fronten festgefahren. Die ukrainische Armee hat sich stabilisiert und hält dem russischen Angriff entgegen. Die größte Gefahr herrscht derzeit rund um das Atomkraftwerk Sapporoschja. Erst kürzlich wurde es wegen Mörserbeschuss heruntergefahren. Eine Zerstörung könnte eine nukleare Katastrophe in Europa zur Folge haben. Auch die russische Gashauptleitung nach Europa, Nord Stream 1 wurde mal wieder ausgesetzt. Ob die Pipeline tatsächlich wieder gewartet werden muss, oder ob es sich um ein taktisches Manöver Putins handelt, ist dabei unklar.

Der Energiemarkt eskaliert

Dass die Gaspreise nach den wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland steigen würden, war durchaus zu erwarten. Mit Steigerungen von teils mehr als 1000 % hatten aber wohl die wenigsten gerechnet. Deutschland ist dabei mehr betroffen als die meisten anderen Länder, da es einen höheren Anteil an Gas aus Russland in seinem Energiemix hält. Vielerorts nehmen Gasversorger keine neuen Kunden mehr auf, Haushalte haben Angst, im Winter ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können und Unternehmen beschäftigen sich schon damit, ihre energieaufwändige Produktion herunterzufahren. Ein kleiner Lichtblick: Nach dem traurigen Rekordhoch von 340 € pro Megawattstunde in der vergangenen Woche ist der Einkaufspreis innerhalb der letzten Tage um fast 15 % auf unter 300 € gesunken. Haupttreiber für diese Entwicklung sind wohl die guten Füllstände der Speicheranlagen.

Seit einigen Wochen kommt mit dem Strompreis noch ein zweites Sorgenkind hinzu. Viele Experten warnen schon seit längerem, dass die Energiekrise sich über kurz oder lang auch auf den Strommarkt auswirken würde. Der Grund dafür ist das System des europäischen Strommarkts. Der Preis wird nicht aus dem Durchschnitt aller Anbieter gebildet, sondern anhand des schwächsten Glieds der Versorgungskette. Auch wenn Gas in Europa nur noch für etwa 10 % der benötigten Strommenge gebraucht wird, ist es für die Versorgungssicherheit essenziell. Durch den rapiden Gaspreisanstieg hat sich natürlich auch die Verstromung des Gases deutlich verteuert, was den Preis für den gesamten Strommarkt in die Höhe schießen lässt. Die Idee hinter dem europäischen Strommarktsystem ist eigentlich gut: Durch die verteuerte Preissetzung, sollen Anbieter, die besonders günstig und effizient produzieren (in erster Linie nachhaltige Energieanbieter von Solar- und Windenergie), belohnt werden. In der Krise zeigen sich jedoch auch die Schattenseiten dieses Systems. Wenn Europa die Versorgungssicherheit und den Frieden garantieren will, muss es schnellstmöglich von diesem System abweichen. Wird der derzeitige Preis auf die Endkunden übertragen, käme das an vielen Stellen einem wirtschaftlichen Ruin gleich.

Trendwende am Rohstoffmarkt

Es gibt allerdings auch gute Neuigkeiten aus der Welt der Rohstoffe. Seit Corona haben sich die Preise aufgrund von unterbrochenen Lieferketten, Angebotsknappheit und gestiegenen Produktionskosten ständig erhöht. Zumindest im Bereich der zur Produktion benötigten Rohstoffe wie Holz und Stahl ist jetzt eine Trendwende zu erkennen. In Hochkonjunkturzeiten, als die Energiekrise und der Ukrainekonflikt noch in ferner Zukunft lagen, war ein Preis pro Tonne von 220 Dollar für Stahl und Eisen nicht unüblich. Derzeit notiert der Marktpreis bei 110 Dollar, also genau der Hälfte des Allzeithochs. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch für Kupfer, Weizen, Halbleiter und Holz beobachten. Der Hauptgrund dafür dürfte in der zuletzt stark zurückgegangenen Nachfrage liegen. Viele Unternehmen wissen nicht, ob sich die Produktion in den nächsten Monaten überhaupt noch lohnen wird und legen Projekte und Produktion zunächst auf Eis. Hinzu kommt noch ein Thema, das in den letzten Wochen fast schon von der Bildfläche verschwunden ist. Auch im kommenden Herbst und Winter wird Corona wieder ein Thema sein, welches die Unsicherheiten zusätzlich erhöht.

Immobilienpreise brechen ein

Nach einer schier unglaublichen Preisrallye über beinahe 15 Jahre ist der Wendepunkt am Immobilienmarkt wohl endgültig erreicht. Eine Kombination aus der unsicheren Wirtschaftslage und der ersten Zinserhöhung der EZB seit mehr als 10 Jahren hat die Nachfrage nach Immobilien drastisch gedrückt. Experten vermuten, dass es sich bei den gestiegenen Preisen der letzten Jahre in erster Linie um Spekulationsgewinne handelte, die aus den niedrigen Zinsen und der hohen Geldflut seitens der EZB entstanden sind. Die Kombination aus der aktuell angespannten Wirtschaftslage und den gestiegenen Zinsen sind die perfekte Zutatenkombination für einen großen Immobiliencrash. Dabei könnte die jetzige Wende erst der Anfang sein. Wenn die Lebenshaltungskosten so enorm steigen wie derzeit angenommen, können viele Schuldner ihre Hypotheken nicht mehr zahlen, was für eine regelrechte Marktflutung mit Immobilien sorgen könnte. Hinzu kommt, dass die EZB bei anhaltender Inflation unter Druck steht, die Zinsen immer weiter zu erhöhen. Die Kombination aus Inflation, Zinserhöhung und wirtschaftlicher Notlage könnte für einen nie dagewesenen Crash sorgen.

Auch der Aktienmarkt spürt den Strompreis

Vom Gaspreisschock hatten die Märkte sich schon wieder erholt. Nach einem Absturz von beinahe 20 % zwischen März und Juni hat der MSCI World zwischenzeitlich wieder 15 % gut gemacht, bis der Strompreis anzog. Die Unsicherheit über die Produktionsbedingungen treibt Anleger aus dem Markt und hat für einen weiteren Verlust von beinahe 10 % innerhalb der letzten zwei Wochen gesorgt. Speziell in Deutschland sieht es nicht besonders rosig aus. Noch Anfang des Jahres kratzte der DAX 40 an seiner Rekordmarke von etwas mehr als 16.000 Punkten. Nach dem Schockabsturz von über 20 % innerhalb weniger Tage zu Beginn des Ukrainekonflikts hatte der Index sich zwar zwischenzeitlich erholt, die Angst vor der Energiekrise und einem harten Winter spiegeln sich aber derzeit im Punktestand wider. Niedriger als heute stand der DAX zuletzt während der zweiten Coronawelle Anfang 2021.